Teddybären sind niedlich, weich und anschmiegsam und haben uns in der Kindheit Trost und Geborgenheit geschenkt. Wirklich geschenkt oder nur Trost und Geborgenheit vorgetäuscht? Waren Teddys nicht auch oft Ersatz für Gefühle, die fehlten oder uns vorenthalten wurden? Und was geschieht mit der Seele, wenn sie mit Surrogaten gefüttert wird? Merken Sie etwas?
Durch ein paar einfache Fragen sind wir schon ein wenig hinabgestiegen in die Abgründe der Seele... Und in die Abgründe der Seele steigen diese Teddybären-Geschichten hinab bis in jene magische Grauzone, in denen scheinbar Lebloses wie Teddybären ein mitunter monströses Eigenleben gewinnt, zurück an die Oberfläche klettert und die heile Welt durchlöchert.
Haben Teddys Gefühle und können sie eine Art Eigenleben entwickeln? Bitte, fällen Sie kein vorschnelles Urteil. Mich hält die Überlegung davon ab, dass die Form, beim Teddy das Fehlen aller Kanten und Ecken und seine angenehmen Rundungen, etwas Eigenes ist und immer auch ein Gefäß, das mit Inhalt gefüllt werden will. Nachdenklich werden Sie, ob Teddybären nicht doch Gefühle haben, wenn Ihnen Teddybären begegnen, wo man sie nicht unbedingt erwartet und wo sie irgendwie deplatziert wirken.
Nie vergessen werde ich den Anblick, der sich mir bot, als ich als Kind im schottischen Hochland an den Sarg meiner verstorbenen Tante Hermine geführt wurde. Er stand auf einem mit schwarzen Seidentüchern verhangenem Gestell in einer dunklen, eiskalten Kapelle. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um in den Sarg hineinsehen zu können. Da lag sie also, meine Tante Hermine, das Gesicht wachsbleich, die Augen geschlossen, die Nase so spitz im hohlwangigen Gesicht, dass ich unwillkürlich zurück zuckte. In den Arm hatte man ihr einen zerzausten, ziemlich zerfledderten Teddy gelegt, dessen eines Ohren zerfranst und dessen schwarze Nase halb abgerissen war, ein Sinnbild der Vergänglichkeit alles Lebens, wie es für ein Kind nicht eindrücklicher sein kann.
Herr Geismar, hatten Sie als Kind einen Teddybären?
Ja, sonst hätte ich diese Geschichten nicht schreiben können. Mein Teddy war nicht von der Stange, er war handmade, ziemlich kompakt und seltsamerweise auch ziemlich schwer. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist, dass ich meinen Teddy nicht lange im Arm halten konnte, sondern ihn wegen seines großen Gewichts bald fallen lassen musste. Das Geräusch, das er beim Aufprall auf den Holzdielen machte, klingt mir heute noch in den Ohren. Und damit kein Missverständnis entsteht: Ich habe diesen Teddy geliebt! Auch wenn es manchmal nicht den Anschein hat, meine Geschichten sind aus Liebe zu Teddys entstanden.
Haben Sie den Teddy noch heute?
Leider nicht. Wie so manch anderer Teddy hatte auch meiner ein schlimmes Schicksal. Ich war acht Jahre alt, als ich im Streit meinen Teddy nach meinem älteren Bruder warf, der sich bückte, so dass ihn der Teddy verfehlte. Der Teddy zertrümmerte das Fenster und fiel aus der zweiten Etage auf die Straße, wo er von einem Lastwagen überfahren und völlig zerfetzt wurde. Ich war vor Schrecken wie erstarrt. Es war das erste Mal, dass ich den Verlust eines geliebten Wesens, denn das war mein Teddy für mich, bewusst miterlebt habe und gleich auf so tragische Weise. Wie Kinder so sind, hatte ich geglaubt, mein Teddy besäße das ewige Leben und wäre immer an meiner Seite. Und nun war ich auch noch schuld an seinem furchtbaren Ende! Das war eines der großen Traumata meines Kinderlebens...
In der Tat ist der Teddy in Ihrer Geschichte „Der Große Teddy“ ein Sinnbild des Todes und der Vergänglichkeit.
Das wird wohl in meinem Kindheitserlebnis begründet sein. Aber meine Teddybärengeschichten haben viele andere Facetten wie eben Teddys auch, sind sie doch nicht nur die Tröster unserer Kindheit, sondern auch stumme Zeugen oder Komplizen unserer Taten oder erleben die dunklen Seiten ihrer Besitzer am eigenen „Fell“.
Deswegen haben Sie im Vorworf die Geschichten auch als „abgründig“ gekennzeichnet?
Die Geschichten steigen manchmal hinab in die Abgründe der Seele, wo der Bodensatz an Grausamkeit, Brutalität und Irrsinn, wo die Bestie in uns lauert, wo aber auch der Ort ist, in dem so etwas wie Magie in uns beheimatet ist. In diesem Sinn sind meine Geschichten auch ein doppelbödiges Spiel mit der Erwartungshaltung, die der Leser Teddybärengeschichten entgegenbringt. Sie sind eben nicht eine süßliche Darstellung von heiler Welt, für die Teddygeschichten eigentlich stehen.
Aber auch Sie „vermenschlichen“ ihre Teddy, lassen Sie denken, zu ihren Besitzern sprechen und in deren Leben eingreifen ...
Ja, ich spreche meinen kleinen Protagonisten zumindest die Erlebnisfähigkeit nicht ab. Und manchmal schlagen die Teddys halt zurück und üben furchtbare Rache an ihren Peinigern. Oder sie enthüllen die skurilen Seiten ihrer Besitzer wie in der ersten Geschichte, in der ein Lehrer nach seiner Pensionierung eine Schulklasse Teddybären unterrichtet.
Kann man sagen, dass Ihre Teddybärengeschichten in stilistischer Hinsicht von einer Art „magischen Realismus“ geprägt sind?
Das ist vielleicht etwas hoch gegriffen, ich würde ihn eher als einen etwas grell geschminkten Realismus nennen.
Herr Geismar, werden Sie sich weiter mit dem Thema Teddybären schriftstellerisch beschäftigen?
In mir schlummert da schon seit langem ein Stoff, den ich demnächst realisieren werde: die Geschichte eines größenwahnsinnigen Diktators, aus der Perspektive seines Teddybären erzählt.
Rezension: Teddy & Co.
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